Afrodeutsche Geschichte: DOMiD-Archiv übernimmt Nachlass von Theodor Wonja Michael
Theodor Wonja Michael war einer der letzten Schwarzen Deutschen Überlebenden der Weimarer Republik und des Nationalsozialismus. 2019 verstarb der afrodeutsche Zeitzeuge, der durch sein erinnerungspolitisches und antirassistisches Engagement zu einer Symbolfigur des Kampfes um Sichtbarkeit Schwarzer Menschen in Deutschland wurde. Ein Teil seines Nachlasses geht nun ein in die Sammlung des Dokumentationszentrums und Museums über die Migration in Deutschland (DOMiD) in Köln.
Die Proteste um ‚Black Lives Matter‘ im letzten Jahr haben die Bedeutung der Repräsentation und Sichtbarkeit afrodeutscher und Schwarzer Perspektiven verdeutlicht. Das historische Erbe spielt dabei eine zentrale Rolle.
Familiengeschichten, wie die von Theodor Wonja Michael zeugen von der beträchtlichen Anwesenheit Schwarzer Menschen in Deutschland seit über 100 Jahren. Michaels Vater kam aus Kamerun ins Kaiserreich, als Kamerun noch deutsche Kolonie war und war ein aktives Mitglied der damaligen Schwarzen Community, die sich auch anti-kolonial und antirassistisch organisierte. Doch in der vorherrschenden Erinnerungskultur hierzulande bleiben die Beiträge und Lebenserfahrungen Schwarzer Menschen bis heute meist unkenntlich.
Die Nichtaufarbeitung der Kolonialvergangenheit ist ein Faktor, warum sich die deutsche Gesellschaft weiterhin als weiß imaginiert und Schwarze Menschen bis heute ausgegrenzt und fremd gemacht werden. “Das Vermächtnis von Theodor Wonja Michael ist unter anderem sein Credo, dass es schon immer auch Schwarze Deutsche gab und die deutsche Gesellschaft noch nie rein weiß war. Um diese Anerkennung focht Michael sein ganzes Leben. Mit seinen Büchern, seiner Forschung und Zeitzeugen-Berichten trug er zu einem neuen Verständnis Schwarzer Geschichte in Deutschland bei. Dieses Erbe möchten wir würdig bewahren. Sein Wirken zeigt auf, dass das häufig unterbelichtete oder einseitig betrachtete Kapitel afrodeutscher Geschichte aber auch aktuelle afrodiasporische Realitäten Einzug finden müssen in unsere Erzählungen von Geschichte und unseren Blick auf Gesellschaft heute. Nicht als partikulare Erzählung, sondern eingebettet in ein verändertes Gesamtnarrativ“, ordnet DOMiD- Geschäftsführer Robert Fuchs ein.
Wirken Michaels wird an seinen persönlichen Objekten deutlich
In die DOMiD-Sammlung gehen neben Dokumenten, Büchern, autobiographischen Aufzeichnungen und Fotografien auch persönliche Gegenstände von Theodor Wonja Michael ein: ein Radio, eine Pfeife, eine Tasse, eine Uhr – hinter jedem Objekt steht eine Geschichte des Lebens Michaels. Seine Reiseschreibmaschine steht beispielhaft für die Zeit, in der der gebürtige Berliner Anfang der 1960er Jahre nach Köln gezogen war. Als Journalist und Afrika-Korrespondent war es ihm erstmals möglich eine solche Investition zu tätigen und er schrieb seine Artikel viele Jahre auf jener und anderen Schreibmaschinen, bis er eine Beamtenlaufbahn einschlug. Der Nachlass wird in diesem Jahr systematisch erschlossen und steht danach Forschenden und Medienschaffenden im DOMiD-Archiv für Recherchen zur Verfügung.
Weitergabe von Büchern an Theodor Wonja Michael Bibliothek
DOMiD fühlt sich solidarisch verbunden mit anderen Archiven und Initiativen, die aus Communities heraus Geschichte bewahren und kulturelle Teilhabe ermöglichen, wie das Each One Teach One (EOTO) Archiv in Berlin, das seit 2012 aktiv ist. Eine neue Initiative ist die Etablierung einer „Theodor Wonja Michael Bibliothek“, die in Köln entsteht.
Initiiert von dem Sonnenblumen Community Development Group e.V. macht sie afrodeutsche, afrikanische und afrodiasporische/Schwarze Literatur und Kultur zugänglich und schafft einen Begegnungsort für die Schwarzen Communitys und andere Interessierte. Aus dem Nachlass Theodor Wonja Michaels überließ DOMiD dem Projekt, in Absprache mit den Angehörigen, rund 150 Bücher. „Wir freuen uns sehr, dass nun Bücher unseres Namensgebers den Grundstein für unsere Bibliothek legen“, so Glenda Obermuller, die das Projekt mit initiiert hat. Auch die Angehörigen Theodor Wonja Michaels begrüßen die Initiative. „Meinem Großvater war Bildung zeitlebens sehr wichtig, da ihm diese aus rassistischen Gründen von den Nazis verwehrt wurde. Es hätte ihm sicher sehr gefallen, dass aus seinem Nachlass nun gleich zwei Orte für Recherche zu afro-deutscher, afrikanischer und afro-diasporischer Geschichte und Gegenwart entstehen – ein Archiv und eine Bibliothek“, so die Enkelin Kirsten Wonja Koehler.
Muhabirce/DOMID- KÖLN